Johannes und Martin hatten eine Woche Chamonix geplant, wir gerade eine drei-tägige „Zahnbürschtl-Rennrad-Tour“ mit Start/Ziel bei Briancon hinter uns gebracht und Kathi hatte Urlaub. So traf sich die Wandergruppe Sonnenschein in Chamonix für Ziele wie die Travese Royale, den Kuffner oder Rochefort Grat. Etwas „Sonnenschein“ war nötig, denn das Wetter zeigte sich weiterhin von seiner wechselhaften Seite. Variabel planen und schnell handeln, so sollte es diese Woche laufen.
Cosmique Grat und Parawaiting an der Midi
Während Kathi und wir eine Nacht in Chamonix haben, reisen Johannes und Martin in der Nacht an: Johannes war am Vorabend noch auf einer Hochzeit, Martin fährt die komplette Strecke in den Morgen hinein. Der Samstag verspricht gutes Wetter, die beiden reservieren schnell fünf Plätze in der nächstmöglichen Gondel, und kurz vor 11:00 treffen wir uns alle vor der Seilbahn hinauf zur Midi. Am späten Vormittag bleiben für den „Normalo“ kaum andere Optionen als der Cosmique Grat oder den Midi-Plan Grat etwas hin und her zu gehen. Wir entschieden uns für ersteren. Mit Ausnahme von Johannes haben alle den Gleitschirm dabei und hoffen auf startbaren Wind. Damit ließe sich den 69€ noch etwas mehr Spannung herauszukitzeln
Wir waren vor ein paar Wochen bei Wolken und schlechtem Wetter auf dem Weg zur PdG durch Chamonix hindurchgefahren. Jetzt lachen Sonne und blauer Himmel. Lenzi sieht das erste Mal die Kulisse der Aiguilles und den unendlich weit entfernt scheinenden Mont Blanc. Die Stimmung schwankt zwischen begeistert, beeindruckt und eingeschüchtert. Kein Wunder.
Mit der Auffahrt zur Midi, komme ich seit meinem Unfall am Tacul dem Ort des Geschehens so nah wie lange nicht mehr. 2016(?) mit Rainer auf Ski vom Tunnelportal zum Mt Blanc rauf und wieder runter war irgendwie anders: Skitour halt und eine andere Ecke. Triangle du Talcul, Mèr de Glace, Tour Ronde, Erinnerungen an ein paar wenige Touren da oben und eben an den Unfall. Nur einmal trug ich seit damals meine Bergstiefel. Auch das fühlt sich eigenartig an: Jetzt wieder die alten Schuh hier in Chamonix zu schnüren.
In der Fels-Kletterstelle zwei gebohrte Tritt-Paare für die Frontalzacken – Hilfsmittel für die meisten, die hier unterwegs sind, und für die Führer, die wohl sonst einen Großteil ihrer Gäste nicht über die paar Meter brächten. Auch wir nutzen sie gern und ich bin froh, die Stelle so mit einer Hand ohne Seilunterstützung nachsteigen zu können.
Es geht noch etwas über leichtes Kombi-Gelände, ein interessanter geneigter Riss – und schon stehst am Leiter-Ausstieg zur Aussichtsplattform, beäugt von diversen Touristen. Wie schrieb Ralf Gantzhorn sinngemäß schrieb: Material ordnen, Helm gerade rücken, Nordwandgesicht aufsetzen.
Einige Fotos von uns für uns und auch für andere später, stapfen Kathi, Lenzi, Martin und ich nochmals von der Midi hinunter zum Startplatz. Vor uns trägt ein Bergführer ebenfalls ein kleines Gleitschirmpackerl, unten macht sich ein Pilot startklar. Das lässt hoffen, obwohl uns der Wind recht stark um die Ohren bläst. Der startklare Pilot war mehrere Jahre lang Journalist in Deutschland, spricht gut Deutsch, ich versuche mich angestrengt im Französischen und es ergibt sich ein nettes Gespräch. Ich gebe ihm meine Telefonnummer, leider hat er sich nicht mehr gemeldet. Der Bergführer verabschiedet sich – zu stark der Wind. Kurzzeitig weht dieser etwas schwächer, der Franzose versucht einen Start, wird aber eher unkontrolliert in die Luft gerissen, um gleich darauf wieder sprichwörtlich einzuschlagen. Für uns das Zeichen, unsere Ambitionen einzupacken und auch der Franzose macht das mit seinem Schirm. Schnaufend geht es zurück zur Bahn.
An der Mittelstation kommt mit dem Franzosen der Gedanke auf, es dort mit einem Start zu versuchen. Viel Zeit bleibt nicht: In 30 Minuten die letzte Bahnfahrt. Rüber zum Startplatz, Schirme raus, Lenzi macht sich startklar, der Franzose startet im starken Wind, Lenzis Schirm: vom Winde verweht. Leinen sortieren, Zeit vergeht, letzte Bahn verpasst und uns, vielmehr mir wird endgültig klar, dass uns der Wind zu stark ist. Es warten 1.300Hm überwiegend schweigender Abstieg.
Währenddessen plant der Rest der Wandergruppe die nächsten Tage: Morgen anstatt mit der Helbronner Bahn, die den ganzen Samstag nicht fuhr, zu Fuß hinüber zur Turiner Hütte und rauf zum Dent du Geant, Montag je nach Wetter entscheiden, Dienstag evtl. Kuffner.
Relativ schnell kommen wir etwas angeschlagen am Bus an, fahren zu den anderen, kochen, packen für die nächsten Tage und fallen in die Schlafsäcke. Ein dann doch langer Tag findet sein Ende.