Was sonst noch passierte, Vol.1: Überschreitung des Olan

Schon im letzten Jahr machten Andrea und ich die Überschreitung des “L’ Olan”. Kennen eh kaum Leute die Dauphiné, so ist der Olan fast gänzlich unbekannt. Allein die extremen Pause Jäger kennen natürlich die NW Wand, die gleich zwei der legendären Pause Touren bereit stellt.  In dieser gewaltigen Wand habe ich sicher nichts verloren. Wie es David dort erging, kann man, wie immer sehr amüsant, hier nachlesen.

Der Olan liegt etwa am südwestlichen Eck der Dauphiné, und in der Luftlinie gar nicht so weit weg von der Meije oder der Bar des Écrins – auf der Straße sammeln sich aber einige Kilometer. Und mit jedem dieser Kilometer wird es einsamer, geruhsamer,  weniger touristisch, vor allem wenn man über Valjouffrey zusteigt.
Egal, wie man zum kleinen Ref. Font du Turbat zusteigt: der Weg dorthin war lang, es liegt abgeschieden fern ab von einem GR Wanderweg und so ist es selbst in den französischen Ferien übersichtlich besucht. Mit der aktuellen Guardienne Anouschka wird die Hütte in eineem ganz besonderes herzlichem, freundlichen und fürsorglichen Stil geführt. Ihre außerordentlichen Ideen für das “Repas”, das Abendessen, sind mittlerweile in der ganzen Dauphiné bekannt.
Natürlich hat es dort oben keinen Handyempfang – und den gibt es auch am Berg nicht. Da wird schon mal mit den Spielzeug Walky-Talkies der Guardienneda eine Notfallverbindung in die NW aufgebaut, und so manche Seilschaft hat ein richtiges Funkgerät im Rucksack.

Hartmut Eberlein schreibt im letzten DAV Führer der Dauphiné: „Von den berühmten Bergen des Gebiets ist der Olan mit Abstand der niedrigste, aber er weist ein der höchsten und steilsten Wände der Dauphiné aus, die NW-Wand. Allein der Anblick dieser Wand ist ein Grund zum Ref. Du Fond Turbat aufzusteigen. Daneben bietet der Olan noch eine Reihe weiterer, allerdings weniger spektakuläre Anstiege, von denen die Überschreitung N-Grat – S-Grat für den mittleren Schwierigkeitsbereich besonders herausragt.“
Entdeckt hatte ich die Überschreitung (PD+, III) in diesem Topo Führer, den es auch auf Englisch gibt, eine französische Beschreibung findet sich bei camptocamp.org

Andrea und ich waren letztes Jahr recht lang unterwegs: ein Verhauer, Probleme beim Seilabziehen, Nebel, Wolken, Graupelschauer, etwas mehr gesichert. Naja, langsam ist man schnell mal. Mir gefiel es dort aber so gut, dass ich die Überschreitung unbedingt Lenzi zeigen wollte.
Der Zustieg zur Überschreitung will mit den schwachen Trittspuren im Geröllfeld gefunden werden, je nach Bedingungen folgt ein nettes Firn-Couloir, und viel leichte übersichtliche Kletterei (bis III) an festem, griffigen Granit, die mal mehr, mal weniger, mal richtig ausgesetzt ist.

Im Jahr zuvor starteten Andrea und ich in Le Désert en Valjouffrey, übernachteten vor der Überschreitung auf dem Ref. Font Turbat und hatten anshließend eine weitere Nacht im Ref. d’Olan. Über das Col de Turbat ging es am dritten Tag gemütlich zurück. Nach dem langen Tag war das damals die richtige Option.
Thomas und Elias hatten sich uns angeschlossen und diemal wollten wir ein Tal südlicher, in La Chapelle starten. Von dort geht es direkt über das Col du Turbat auf das Ref. Font Turbat – da spart eine Übernachtung, den Auf- und Abstieg zum Col du Turbat und die 10km Latscherei. Irgendwie praktischer, aber wesentlich mehr Fahrerei, und von Le Desert aus landschaftlich reizvoller da sich nur so der oben beschriebene Anblick der NW-Wand wirklich zeigt.

Thomas und Elias sind interessiert, schließen sich uns an, und am Schlechtwettertag fahren wir nach La Chapelle en Valgaudemar.
Anderntags hält der Anstieg zum Col de Turbat das, was die Südseite vermuten lässt: Es ist schweißtreibend.

Die Anuschka freut sich, wieder einmal Deutsch sprechen zu können. Ob denn viele Deutsche kämen? „Nein, nie“. Naja – immerhin war ich letztes Jahr schon dort. Es gibt gefüllte Forellen, leckere Vor- und Nachspeisen, und wären wir nicht die ersten, die am nächsten Tag aufstehen, würde sie uns mit einem Stück auf dem Klavier wecken. Schade, um 3:15 weckelt der Klinger, wir sind die ersten und die einzigen für den Olan.

Thomas und ich hatten am Nachmittag das erste fast weglose Stück hinter der Hütte ausgekundschaftet und so kommen wir schnell voran. Ein Couloir, durch das etwa 45 Minuten abgekürzt werden können sollte, hat noch gute Verhältnisse. Im ersten Licht stapfen wir über harten Firn weiter, bis wir über Schutt und lockerem Bröselzeugs rechts raus müssen. Ob wir tatsächlich 45Min gespart haben?
Von Westen her drücken Wolken rein – sollte es nicht erst in der Nacht schlecht werden? Keiner sagt etwas, jeder denkt sich seinen Teil.

Über den eigenartigen Riss/Rampe/Was-auch-immer geht es angenehm hinauf. Das markante Schneefeld lassen wir deutlich rechts liegen. Hier verloren wir letztes Jahr gut eine Stunde Zeit und viel „Moral“. Nach Beschreibung und Skizze sollte es direkt über den Schnee und weiter durch den markanten Riss gehen. Der für uns markante Riss war für einen 2er arg steil, dafür aber brüchig. Nach 20m war Schluss für mich. Rechts von mir ein willkommener Normalhaken mit Abseilglied: Aha, bin ich nicht der erste. Und schon war das Seil gefädelt und ich kletterte wieder ab.

Das Schneefeld ist mittlerweile deutlich kleiner, so dass es gar nicht mehr bis zum richtigen markanten Riss reicht. Diesmal geht es gleich richtig weiter und bald stehen wir am Beginn des eigentlich N-Grats.

Lenzi ist guter Dinge, klettert sicher, und seilfrei kommen wir schnell höher. Nebel stiehlt uns die Aussicht, ohne Tiefblick ist es aber gleich weniger ausgesetzt. Kurz nach 8:00 Uhr sind wir am Gipfel und überrascht, dass es nicht mehr weiter geht. Mir ist es gegenüber Elias und Thomas etwas peinlich, dass die von mir angepriesene „große Olan Überschreitung“ bereits vorbei ist. Doch umsonst meine Sorgen. Es war bis jetzt super, das Dahinklettern hat allen Spaß gemacht. Und runter müssen wir ja auch noch. Es wird immer sonniger, wir genießen die Stimmumng – eilig haben wir es heute nicht mehr. Nach etwa einer Stunde steigen wir ab und seilen uns  tatsächlich noch an einem wirklich ausgesetztem Gratstück alle an. Paarmal kurz abseilen und in der Brèche d’Escarra geht’s in der S-Wand hinunter. Eine lange Querung auf einem großen Band, mehrmals abseilen, ein anfangs spaltiger Gletscher und noch vor 12:00 sitzen wir beim Café am Refuge d’Olan. Das war flott.

Nachmittags geht’s runter zum Campingplatz: Duschen, Trinken und Elias holt fünf Pizze. Drei für Lenzi und mich 😉

Nach dem zweiten Mal denke ich, dass die Überschreitung schon hält, was sie verspricht: Fast wegloser Zustieg, je nach Jahreszeit ein 45° Firncouloir, Steigen im leichten, aber ausgesetztem Gelände, am Grat flüssiges Dahinsteigen bis zum 3er, fast durchwegs fester guter Granit, ein Abstieg, der nochmals Konzentration erfordert, das alles in einem wilden, einsamen Eck der Dauphiné. Wenn es halt nicht so weit weg wär…

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