Nach der Überschreitung des L’Olan verabschieden sich Elias und Thomas in Richtung Dolomiten. Wir werden es die nächsten Tage gemütlich angehen lassen, wollen (echte) Gleitschirme fliegen. Auf der Recherche nach Fluggebieten stoße ich auf einen vielversprechenden Hinweis zum Soaring Gebiet bei Saint Vincent les Fortes. Also heraus aus der Dauphiné und weiter nach Gap. Die Täler werden weiter, die Berge tiefer, das Licht heller. Irgendwie scheinen die Provence, und dahinter das Meer schon zum Greifen nahe. Erinnerungen an frühere Urlaube beim Sportklettern in Südfrankreich werden wach. In die Ecken sollte man mal wieder fahren… Später.
Vor Ort stellt sich alles doch nicht so einfach dar: Der Landeplatz am Campingplatz existiert nicht mehr, der am See dürfte nachmittags starken Talwind abbekommen. Bleibt noch das Top Landen – da kann sich Lenzi nicht wirklich anfreunden: zu klein der Landebereich. Es sind einige Schirme in der Luft und es siehrt nach gemütlichem Soaring aus, aber wir verschieben das Fliegen auf Morgen und fahren zum Campingplatz.
Am nächsten Tag brütende Hitze. Im Tal am Camping kein Lüftchen. Zum Fliegen geht’s dort eh erst am Nachmittag, wenn der Talwind zum Soaren einsetzt. Aber selbst am Nachmittag sind außer ein paar Tandems keine Schirme in der Luft. Hmmm. Wir verschieben, gelähmt von der Hitze und sicherlich auch wegen der unsicheren Landesituation, unseren Aufbruch immer weiter nach hinten und hängen im Pool ab. Irgendwann rentiert es sich tatsächlich nicht mehr. Nicht ohne ein wenig Ärger über den „abgehangen“ Tag geht es im viel zu warmen Bus zum Schlafen.
Am nächsten Tag wollen wir auf alle Fälle früh aufbrechen und oben abwarten. Zufällig treffe ich am Camping einen älteren Niederländer, der gestern Nachmittag noch hinauf gefahren war – das Auto voller Schirme. Nein, er sei nicht geflogen. Während unten kein Wind ging, war er 400Hm weiter oben am Startplatz zu stark. Im Gespräch erzählt er mir, dass es nun auch unter der Dormillouse, eigentlich ein reiner Hike&Fly Starrtplatz und aus unserer Planung herausgefallen, im Skigebiet von Saint Jean Montclar zwei Startplätze und vor allem einen großen Landeplatz gibt. Heute, Sonntag, läuft der Lift, nachmittags kommt die Thermik. Das hört sich alles irgendwie einladend an und wir fahren sofort los. Einen Überblick (auf französisch) gibt es hier: https://federation.ffvl.fr/sites_pratique/voir/13231
Tatsächlich: Großer Landeplatz, direkt daneben parken, 10 Minuten zum Lift und ein geräumiger Startplatz 500Hm weiter oben. Allein die Thermik will nicht so richtig durchziehen. Wir warten etwa 2h, bis wir nach ein paar Franzosen und Spaniern in der Luft sind. Nach den Spaniern hatte die Thermik wieder etwa 30 Minuten Pause eingelegt, bevor die Franzosen draußen waren. Dann wieder etwas Pause bis auch wir raus kommen. Lenzi vertut sich beim Rückwärtsstart, wird unsicher und will fast nicht mehr fliegen. Also zureden, vorwärts versuchen. Das klappt sofort und nach kaum drei Schritten hebt er super kontrolliert ab.
Etwas einfliegen nach längerer Thermikpause und wiedergewöhnen an die Turbulenzen. Das Abgleiten vom Mont Blanc ist halt schon anders als die südfranzösische Thermik, frage nicht. Lenzi hängt noch etwas übern Wald, während ich bald am Grat bin, die ersten größeren Raschler hinter mir. Kurze Zeit später ist er auf meiner Höhe und kurbelt mich aus. Meist werde ich ihn nun über mir suchen. Aha. Sauber. Ich sehe seinen Schirm in der Thermik nach oben zischen, und auch wieder herunter, mir legt es hin und wieder die Ohren etwas an, einmal die Eintrittskante. Und das gefühlt schon recht arg. Jaja, aha. Kenn ich ja alles von früher, und die Reaktionen passen – aber ich muss mich trotzdem wieder daran gewöhnen, und so ganz geheuer, wie es vor über 20 Jahren war, ist es mir noch nicht 😉
Auf 1.900m gestartet kurbeln wir bis auf gut 3.600m, es wird kalt und mein Vario zwitschert in Tönen, die ich noch nie hörte. Welche Steigwerte das waren weiß ich nicht. Ich habe das alte Gerät am Oberschenkel montiert, sehe es im Liegegurtzeug nicht und orientiere mich allein am Ton. Wie auch immer: Nach knapp 2h habe ich genug und fliege zum Landeplatz. Etwas später kommt Lenzi und landet sanft auf der Wiese.
Sein erster 2h Flug, seine höchste Startüberhöhung, die höchste erflogene Höhe, ein paar Klapper und ein Grinsen im Gesicht das nicht mehr aufhört. Er übt noch etwas im Wind und nun klappt auch das Rückwärts Aufziehen. Jetzt runter zum Pool.